Job und Familie

Aramsamsam

Kathrin Gennies (kg) · 04.09.2017

Ja klar, Kinder sind toll und Familie ist was Wunderbares. Aber es gibt auch Momente, in denen wir ganz anders empfinden. Weil's anstrengend ist und nervt. Häufig trauen wir uns aber nicht zuzugeben, dass wir nicht immer glücklich mit Kind und Kegel sind. Wir finden: Auch das muss gesagt werden. Und zwar deutlich.

Als ich neulich beim Friseur saß und dem Bericht meiner Haarverzauberin über ihren letzten Familienurlaub lauschte, verspürte ich das dringende Bedürfnis, meiner Mutter eine whatsapp zu schreiben und mich für die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen, die ich und mein kleiner Bruder während der alljährlichen langen Autofahrten nach Südfrankreich so verursacht haben. Posthum, quasi. Meist hatten wir uns schon vor Erreichen der Autobahn mächtig in der Wolle, und das ging dann viele Stunden so weiter, von gelegentlichen Unterbrechungen mal abgesehen, die durchaus wörtlich zu nehmen sind. Reiseübelkeit: Können wir! Ausstaffiert mit Walkman, einem Haufen toller Bücher, die ich aufgrund der drohenden Kotzgefahr erst am Ziel würde lesen können und einem gelangweilten Bruder, der durch immer wieder neue, nervtötende Aktionen seine Langeweile auf meine Kosten zu verscheuchen suchte, waren die Beschäftigungsmöglichkeiten im Vergleich zu heute eher eingeschränkt.

Heute sieht das natürlich alles sehr viel besser aus, immerhin wissen die Kids mit Technik bestens umzugehen und ein mit allerlei Spielen, Musik und Videos ausgestattetes Tablet löst im Nu jedes Problem. Nicht. Und das, wenn man den Ausführungen meiner Friseurin Glauben schenken darf, sogar schon bei einer dreistündigen Flugreise. Früher, sagt sie, haben sie und ihr Freund noch total crazy Urlaub gemacht, im Baumhaus auf Stelzen und mit Rucksack und Action und so. Und weil sie sich auch nach der Geburt von Liam immer noch total crazy fühlten, haben sie sich selbst ein Frontpacker-Update verpasst und sich neben dem Reiserucksack halt auch noch das Baby umgeschnallt. Leider fand Liam Südostasien nur so mittelprächtig und die Crazyness bekam ziemlich schnell ein paar Facetten hinzu, auf die alle drei wohl lieber verzichtet hätten. Deshalb ging es dieses Jahr in die familienfreundliche Hotelanlage auf Kreta, weniger Stress, mehr Bespaßung und Essen rund um die Uhr. Was Liams kleiner Bruder Noel wohl etwas in den buchstäblich falschen Hals bekommen hatte, denn so manche Nacht fand in ihrer schönsten Mitte ein jähes Ende, weil das Kind plötzlich hellwach auf der Matte stand und nach Cornflakes verlangte. Gerädert erschien man dann Stunden später zum Frühstück, was konkret bedeutete, dass Liam und Noel so viele Mini-Croissants in ihre kleinen Münder stopften, wie sie konnten und der elterliche Magen durch das kein Ende nehmende Schmieren zu einem resignierten Knurren anhob. Die eigene Nahrungsaufnahme wurde von stetigem „Wir wollen aber jetzt zum Straaaahaaand! JETZT!“-Gequengel gar lieblich untermalt, kaum dort angekommen und ausgepackt, war ein Klo plötzlich aber die geeignetere Örtlichkeit. Zeit, um mal die Augen zuzumachen oder einen Blick in die Urlaubslektüre zu werfen, blieb eigentlich nur während der kostbaren Stunde, in der das mit übermenschlich guter Laune ausgestattete Animationsteam die Tänze für die allabendliche Mini-Disco mit dem Nachwuchs einstudierte.

Spätestens am dritten Abend wurde die Freude darüber aber von einer Armee Ohrwürmern und der Frage verdrängt, wie lange man eigentlich ein Hirn in die Sonne legen muss, damit es die Aufzählung von einem Dutzend Fastfood-Ketten über einer nervtötenden Melodie für einen coolen Move hält. Alles in allem, so ihr Fazit, war es dann aber doch ganz lustig, denn auch wenn Erholung früher noch etwas anderes bedeutet hat: Am Ende zählt halt doch die Zeit mit den lieben Kleinen, fernab vom Alltagsstress.

Kategorien: Kaleidoskop

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