Ratgeber

Nachgefragt bei Stephanie Opitz

Nora Stankewitz · 07.08.2018

Was damit begann, den eigenen Müllberg reduzieren zu wollen, mündete in ein Unternehmen mit heute 15 Mitarbeitern. Stephanie Oppitz, 39, ist Gründerin der Windelmanufaktur in Dresden. Ihr Anspruch: Eltern und Baby beim Windeln in Kommunikation zu bringen und Deutschlands größtem Posten Restmüll den Kampf anzusagen.

Du bist eigentlich Architektin: Wie kamst du auf die Idee, Stoffwindeln zu produzieren?

Mein Schlüsselerlebnis hatte ich im Ostsee-Urlaub: mein Mann, ich, unsere drei Kinder und ein kinderloser Freund. Wir hatten keine Mülltonne, sondern mussten den Müll nach einer Woche zu einer Sammelstelle fahren. Und dieser Freund meinte am Telefon zu einem Bekannten: "Wir waten hier knietief in der Scheiße." Und so war es wirklich. Alle drei Kinder waren damals ja noch in Windeln. Der Riesenhaufen Müll war fürchterlich! Mir war nachhaltig leben schon immer wichtig, aber bewusst war mir dieser Windelposten bis dahin nicht. Dann habe ich mir Stoffwindeln aus Ostzeiten besorgt und war nur noch am Waschen. Das fand ich mit drei Kindern völlig inakzeptabel.

Und dann ging die Tüftelei los?

Genau. Mir ließ das keine Ruhe, und ich habe über hundert Prototypen produziert. Später dann für uns, unsere Nachbarn und den Kindergarten Stoffwindeln gemacht. Bis das so ein Ausmaß annahm, dass ich Geld dafür nehmen musste.

Hast du da schon an ein Unternehmen gedacht?

Mein Ziel war, 300 Euro zu verdienen, um meinem Sohn ein gutes Fahrrad zu kaufen. An mehr habe ich nicht gewagt zu denken. Was treibt dich an beim Thema Stoffwindeln? Es ist so, dass das Windeln in vielen Familien ein Ekelthema ist. Das Kind kackt, und Mama und Papa rümpfen die Nase, streiten sich noch darum, wer dieses Mal windeln muss. Dem Kind wird dadurch mitgegeben, dass seine Ausscheidungen ekelhaft sind, und es übernimmt diese Haltung. Viele Kinder haben dann schon Verstopfungen, weil sie ihren Stuhl zurückhalten. Dabei ist das Wickeln in den ersten Monaten der Kontakt mit dem Baby, der richtig intensiv sein kann: Das Kind schaut mich direkt an, und ich kann mit ihm kommunizieren. Das ist doch wunderbar. Wir wollen für Kind und Eltern das Wickeln aufwerten.

Welche Probleme siehst du noch beim Wickeln?

Stell dir mal vor, du bist im Altersheim. Du hast schon zweimal in deine Windeln gepullert und dann kommt die Pflege und sagt: Läuft noch nicht aus, geht noch. Und so ist das leider auch beim Wickeln. Das Kind möchte genauso wenig wie ein Erwachsener in seinen Ausscheidungen liegen – das ist evolutionär so angelegt. Babys zeigen an, wenn sie müssen. Nur, wenn darauf niemand reagiert, dann geben sie diese Zeichen auch nicht mehr.

Das heißt, wir trainieren dem Baby etwas ab, was es später wieder mühsam lernen muss?

Genau so ist es. Aber wenn sich Eltern fürs Wickeln interessieren, sich damit befassen, dann stoßen sie auf all diese Themen und erleben so eine tolle Wickelzeit. Diese Babys werden wegen dieser intensiven Beschäftigung im Schnitt auch schneller trocken.

Welche Sorgen oder auch Vorurteile haben Erstkäufer, wenn sie zu euch ins Atelier auf der Ahornstraße kommen?

Es gibt zwei, die immer wieder kommen: Stoffwindeln seien unhygienisch und schlecht für die Umwelt wegen des Wasserverbrauchs beim Waschen.

Und was sagst du ihnen darauf?

Unhygienisch sind sie überhaupt nicht, denn sie werden ja bei 60 Grad gewaschen. Der Kot kommt ins Klo. Durch unser 3-Schicht-System ist daran auch nichts ekliger, als bei Wegwerfwindeln. Und klar brauche ich Wasser fürs Waschen der Windel, aber viel mehr Wasser braucht alleine die Produktion der Wegwerfwindeln – übrigens dann in Ländern, wo ohnehin Wasserknappheit besteht.

Für (noch) Kinderlose oder Pampers-Wickler: Kannst du uns kurz die Vorteile eurer Stoffwindeln erklären?

Stoffwindeln sind auf die gesamte Wickelzeit gesehen günstiger, praktisch müllfrei, gut für die Haut des Babys, und es wird breit gewickelt, was ja auch Orthopäden in ganz Sachsen empfehlen.

Die Vorteile eurer Stoffwindeln liegen auf der Hand. Trotzdem ist der Anteil an Stoffwicklern verschwindend gering. Was würdest du den deutschen Eltern am liebsten sagen?

Aktuell produzieren Eltern durch Wegwerfwindeln eine Tonne Restmüll pro Kind. Die vollen Windeln müssen verbrannt werden, weil eben menschliche Fäkalien drin sind. Dieser Verbrennungsmüll ist durch den Kunststoff hochgiftig und muss ähnlich behandelt werden wie atomarer Restmüll. Das heißt auch, dass der Müll muss endgelagert werden muss. Und Deutschland ist verzweifelt auf der Suche nach solchen Endlagerstätten. Mehr brauche ich da eigentlich nicht mehr sagen.

Ihr pflegt engen Kontakt mit euern Kunden. Welchen Vorteil hat das für euch?

Das Tolle an unserem Kundenkontakt ist, dass wir unsere Produkte zusammen mit unseren Kunden entwickeln können. Wir hören genau hin, was unsere Kunden brauchen, lesen in unseren Fan-Foren, wo es Probleme gibt. Daraus entstehen die besten Produkte. Wir beziehen auch unsere Lieferanten der Rohstoffe mit ein, denn die sind ja die Experten für die Stoffe. Und dann testen wir mit unseren Kunden unsere Prototypen, um das Produkt den letzten Schliff zu geben.

Fünf Jahre bist du jetzt Unternehmerin. Was sind deine Pläne für die Zukunft?

Ich habe immer so viele Ideen. Aktuell arbeiten wir an einem Trainer. Also einem Höschen für Kinder, die gerade dabei sind, trocken zu werden, aber doch noch so ein kleines Back-Up brauchen. Damit können Eltern ihr Kind dann toll dabei unterstützen, das aufs Klomüssen anzuzeigen, ohne gleich die komplette Montur waschen zu müssen, falls doch mal was daneben geht.

Windelmanufaktur Stephanie Oppitz
Ahornstr. 6, 01097 Dresden

 

Kategorien: Kaleidoskop , Ratgeber

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