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„Kinder brauchen Angebote, um die Corona-Zeit gesund zu überstehen."

Adina Schütze · 10.09.2021

Vicki Felthaus

Vicki Felthaus

Damit Kinder und Jugendliche nach dem langen Corona-Lockdown entstandene Lernrückstände aufholen können, hat der Bund ein Aktionsprogramm beschlossen. Was heißt das nun genau und was tut Leipzig, um Schüler zu fördern? Kind+Kegel sprach mit der Bürgermeisterin und Beigeordneten für Jugend, Schule und Demokratie in Leipzig, Vicki Felthaus, über die Bildungslandschaft, Förderprogramme und digitale Bildung.

WAS BEINHALTET DAS AKTIONSPROGRAMM DES BUNDES UND WAS BEDEUTET ES FÜR LEIPZIG?

Kinder und Jugendliche haben viel nachzuholen. Da sind nicht nur die Lernrückstände zu nennen, sondern auch Fehlentwicklungen durch mangelnde Bewegung und den Mangel an altersgerechter sozialer Interaktion in Gruppen oder die Überforderung durch teilweise hohen Leistungsdruck oder fehlende Tagesstrukturierung durch das digitale Arbeiten im Homeschooling. Aus meiner Sicht brauchen Kinder und Jugendliche verschiedenste Angebote, um die Corona-Zeit gesund in jeder Hinsicht zu überstehen. Unsere Aufgabe als Schulträger ist es, den Lehrkräften und den Schülerinnen und Schülern gute räumliche und digitale Rahmenbedingungen für den Unterricht zu geben. Konkret konnten wir mit den Mitteln aus dem Aktionsprogramm des Bundes „Aufholen nach Corona“ bisher zusätzliche Schwimmkurse für Kinder der 3. und 4. Klassen anbieten. Außerdem planen wir den Aufbau von sogenannten study halls, zusätzliche Sportangebote und Kooperationen im Netzwerk bezüglich psychischer Belastungen von Kindern und Jugendlichen. Von Landesseite aus wird eine Entschlackung des Lehrplanes geplant. Die Kinder brauchen ihre Lehrerinnen und Lehrer als Kontaktpersonen und für das Nachholen von Inhalten und für die pädagogische Anleitung zum Lernen, zugleich aber auch Freiraum, um sich entwickeln zu können.

WIE SCHNELL LÄSST SICH DAS ALLES REALISIEREN?

Leider fehlen uns auf kommunaler Ebene noch die entsprechenden Informationen, wann wir weitere Mittel abrufen können und wofür. Was wir jetzt schon tun können tun wir. Unsere Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe leisten ihr Möglichstes und machen viele Angebote. Zusätzlich fördern wir über die Stiftung „Leipzig hilft Kindern“ freie Träger für ihre besonderen Corona-Initiativen, die insbesondere Kindern in Sozialräumen zugutekommen, in denen es mehr bekannte Benachteiligungen gibt.

KÖNNEN SIE MIT DEN MITTELN AUCH PERSONAL AUFSTOCKEN? WIE KÖNNEN ELTERN DIE MASSNAHMEN ABRUFEN?

Wir werden umgehend die Familien über die Presse, die Schulen und unsere stadteigene Webseite informieren, wenn wir zusätzliche Maßnahmen umsetzen können.

WIE SCHÄTZEN SIE DIE AKTUELLE BILDUNGSSITUATION IN LEIPZIGER SCHULEN NACH CORONA EIN? MÜSSEN UNSERE KINDER JETZT ALLE ZUR NACHHILFE?

Die Einschätzung des Leistungs- und Lernstand der Kinder erfolgt durch die Schulen und ist eine Landesaufgabe. Ich denke, dass der Einsatz von Lehramtsstudenten, welcher vom Landesamt für Schule und Bildung organisiert wird, ein guter Weg ist, um Nachhilfe an Schulen zu leisten.

WIE SIEHT DER STAND DER DIGITALISIERUNG AN DEN LEIPZIGER SCHULEN AUS?

Die Stadt Leipzig stattet die Schulen im Rahmen des Digitalpaktes bis 2024 mit der Infrastruktur für digitales Lernen aus. Wir sorgen vor Ort für eine leistungsfähige Internetanbindung. Inzwischen konnten wir 10.000 Endgeräte für den Unterricht bereitstellen. Die Stadt Leipzig stattet die Schulen im Rahmen des Digitalpaktes bis 2024 mit der Infrastruktur für digitales Lernen aus. Wir sorgen vor Ort für eine leistungsfähige Internetanbindung. Inzwischen konnten wir 10.000 Endgeräte für den Unterricht der Schülerinnen und Schüler beschaffen und für den Betrieb bereitstellen. Hier haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kooperativ gearbeitet und viel geschafft. Wir sind auch verantwortlich für den Support der Technik zur Verwendung im Unterricht. Das Medienpädagogische Zentrum der Stadt Leipzig bietet weiterhin Fortbildungsangebote für Lehrkräfte und allgemeine technische und pädagogische Unterstützung an. Es bleibt eine große Aufgabe, digitalen Unterricht sinnvoll und bedarfsgerecht zu gestalten. Wir sind auch verantwortlich für den Support. Das Medienpädagogische Zentrum der Stadt Leipzig bietet weiterhin Fortbildungsangebote für Lehrkräfte und allgemeine technische und pädagogische Unterstützung an. Es bleibt eine große Aufgabe, digitalen Unterricht sinnvoll und bedarfsgerecht zu gestalten.

MIT DEM BILDUNGSPAKET UNTERSTÜTZT DIE STADT LEIPZIG FAMILIEN MIT GERINGEM EINKOMMEN BEREITS SEIT EINIGEN JAHREN. STICHWORT: STARKE-FAMILIEN GESETZ. WAS HEISST DAS KONKRET UND WO GIBT ES DAS BILDUNGSPAKET?

Das Starke-Familien-Gesetz ist im August 2019 in Kraft getreten. Mit dem Familienzuschlag und den verbesserten Leistungen über Bildung- und Teilhabe werden auf Antrag zusätzliche finanzielle Mittel für den persönlichen Schulbedarf, für Nachhilfe, für die Mittagsverpflegung in Schule oder Kita, Vereins-/ Kultur- oder Freizeitangebote und die Fahrt zur Schule gewährt. Diese Leistung können zusammen mit dem Arbeitslosengeld II beantragt werden. Die Stadt Leipzig und freie Träger unterstützen beratend in allen unseren Einrichtungen.

AUCH KITAS SOLLEN MEHR UNTERSTÜTZUNG BEKOMMEN. STICHWORT: BUNDESPROGRAMM „FRÜHE CHANCEN“. GIBT ES DA IN LEIPZIG KONKRETE BEISPIELE FÜR DIE UMSETZUNG?

Im Rahmen des Bundesprogramms beteiligt sich die Stadt Leipzig an dem Bundesprogramm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ und an dem Bundesprogramm „KitaEinstieg“. Aktuell findet das Interessenbekundungsverfahren für die Teilnahme von kommunalen und freien Trägern für das Bundesprogramm Sprach-Kitas in Leipzig statt. Auch das Bundesprogramm Kita-Einstieg ist in die Verlängerung gegangen. Bisher wurden in Leipzig vielfältige Angebote vorgehalten und erprobt. So gibt es Elterngruppen, Spielgruppen, Mutter-Kind-Gruppen, Interkulturelle Familiencafés und Spieletreffs in Familienzentren. Das Spielmobil hat Gemeinschaftsunterkünfte besucht. Es gab das Familienbildungsprogramm FuN, eine Kreativtütenaktion für Familien in der Coronazeit, Vorschulangebote, Kita-Sprechstunden, Beratung und Begleitung von Familien, Kita-Einstiegsberatungen in vier Stadtteilen und vieles mehr. Um den Programmerfolg unter den bestehenden Bedingungen weiter zu sichern, können sich die beteiligten Standorte auf ergänzende und unterstützende Fördermodule für die Jahre 2021 und 2022 bewerben. Leipzig hat sich für das Fördermodul 4 „Unterstützung zur Verstetigung von Programmangeboten“ beworben.

DIE VERSCHIEDENEN SCHULKONZEPTE IN LEIPZIG UMFASSEN ZUM TEIL UNTERSCHIEDLICHE SCHWERPUNKTE, WELCHE THEMEN LIEGEN IHNEN PERSÖNLICH IM HINBLICK AUF DIE ZUKUNFT UNSERER KINDER BESONDERS AM HERZEN?

Ich freue mich sehr über die vielfältige schulische Träger- und Konzeptlandschaft in Leipzig. Die Schulkonzepte ermöglichen es, bei der Schulwahl pädagogische Wünsche der Eltern und Talente der Kinder zu berücksichtigen. Ein wesentlicher Schwerpunkt der nächsten Jahre ist für mich die Einrichtung von Gemeinschaftsschulen in Leipzig und damit die Ermöglichung des längeren gemeinsamen Lernens. Wir können dazu auf die erprobte pädagogisch-konzeptionelle Arbeit der Leipziger Nachbarschaftsschule schauen, die über 25 Jahre als Modellschule mehrere Generationen von Kindern positiv geprägt hat und mit dazu beigetragen hat, dass die Idee der Gemeinschaftsschule immer eine große Fangemeinde hatte. Diesen großen Bedarf können wir mit dem überarbeiteten sächsischen Schulgesetz jetzt beginnen zu bedienen.

ZUR PERSON:
Vicki Felthaus, Jahrgang 1977, leitet seit Oktober 2020 das Dezernat Jugend, Schule und Demokratie im Leipziger Rathaus. Die gebürtige Zschopauerin hat Sozialmanagement studiert und ist diplomierte Heilpädagogin. Vicki Felthaus ist Mutter von zwei Kindern.

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