Kaleidoskop

Kinder und Karriere

Maria Grahl (mg) · 28.09.2017

 

Es ist nicht wahr, dass Kinder und Karriere sich vereinbaren lassen. Oder doch? Jede Frau kommt irgendwann, so scheint es, unweigerlich an den Punkt, sich entscheiden zu müssen: Möchte ich beruflich Karriere machen oder lieber ein Baby bekommen? Oder geht nicht, mit einem kurzen „Knick“, genannt Elternzeit, doch auch beides? Unternehmerinnen wie Marissa Mayer (Vorstandsvorsitzende von Yahoo) oder Sharyl Sandberg (Facebook-Chefin) zeigen schließlich, dass man durchaus beides vereinbaren kann. Aber dann hört Frau von Fällen aus dem Umfeld, die nach der Geburt Schwierigkeiten hatten, wieder in ihren Beruf einzusteigen. Kind + Kegel ist der Frage nachgegangen und stellt bereits zu Beginn fest: Karriere ist ein schwammiger Begriff.

"Karriere machen“ wird meistens mit „Führung“ gleichgesetzt. Oder zumindest einem kontinuierlichem Aufstieg. Dabei bezeichnet das Wort ursprünglich schlichtweg die berufliche Laufbahn eines Menschen. Und die hat irgendwie jeder. Geht es in dem Zusammenhang aber um „Kinder und Karriere“ sind meistens Frauen in Führungspositionen gemeint. Und eine Führungsposition bedeutet Hingabe. Kommt dann ein Kind ins Spiel, zu dem sich die Mutter natürlich auch hingegeben fühlt, wird es häufig schwierig.

Zum Beispiel Diana hatte es sich leichter vorgestellt, nach der Elternzeit wieder voll durchzustarten: „Ich stieg nach 14 Monaten Pause wieder Vollzeit in meinen Beruf ein“, sagt die Angestellte einer mittelständigen Firma, in der sie eine kleine Abteilung leitete. „Meinen Sohn gab ich morgens 7 Uhr als einen der Ersten in der Krippe ab. 7.30 Uhr war ich im Büro. Nachmittags holte ich ihn 16.30 Uhr als einen der Letzten wieder ab. Bis dahin hatte ich einen recht anspruchsvollen Tag, freute mich aber immer auf die Abwechslung am Nachmittag.“ Dianas Mann ist leitender Angestellter einer IT-Firma. Seine Arbeitszeiten sind nicht genau festgelegt – meistens aber länger als 40 Stunden pro Woche. Diana war so, neben ihrer vollen Stelle, zum größten Teil für die Kinderbetreuung (inklusive der stets unruhigen Nächte) und den Haushalt zuständig. „Irgendwann konnte ich nicht mehr“, erinnert sie sich. Mir fehlte es, wenigstens mal für eine halbe Stunde entspannen zu können. Immer unter Strom zu stehen, laugte mich nach einigen Monaten so aus, dass ich meinen Chef fragte, ob ich die Stunden reduzieren kann. Konnte ich. Aber nicht mehr als Abteilungsleiterin. Bereitwillig nahm ich das in Kauf. Zwei Stellen und ein paar hundert Euro netto unter meiner ursprünglichen Position, führte ich ab sofort immerhin einen entspannteren Alltag.“

Ähnlich wie Diana geht es Katharina. Auch sie hatte sich über die Jahre in ihrer Firma nach oben gearbeitet, „um einen vernünftigen Grundstein für die Familienplanung zu legen“, wie man so schön sagt. Dann kam das Kind, eine schöne Elternzeit und der Wiedereinstieg. „Unser Familienalltag klappte dank der flexiblen Arbeitszeiten meines Mannes zunächst recht gut“, erinnert sich Katharina. Aber immer konnte auch er mit einem kranken Kind nicht zu Hause bleiben. „Nicht nur von seinem Chef kamen blöde Kommentare. Selbst seine männlichen Arbeitskollegen hatten dumme Sprüche auf Lager, wenn er mal wieder wegen eines Infekts seiner Tochter nicht zur Arbeit erschienen war.“ Folglich bleibt Katharina nun öfter zu Hause, wenn die Zweijährige Fieber oder Scharlach hat. Die Folge: „Ich fehle oft in wichtigen Meetings, die ich hätte leiten sollen. Entscheidungen, die besser vor Ort getroffen werden sollten, treffe ich am Telefon von zu Hause aus. Meine untergeordneten Kollegen fühlen sich manchmal allein gelassen und sind demotiviert. Das merke ich. Und dann habe ich Gewissensbisse in beide Richtungen: Ich fühle mich schlecht meiner Tochter gegenüber, für die ich nur halb da bin – und genauso geht es mir mit meinen Mitarbeitern.“ Eine für sie perfekte Lösung hat sie noch nicht gefunden. „Wir wurschteln uns alle so durch, wissen aber, dass es langfrsitig so nicht bleiben kann. Zumal wir uns eigentlich noch ein Kind wünschen.“

Sind Diana und Katharina nun einfach unglückliche Einzelfälle? Nein. Frauen, die in Führungspositionen arbeiten sind ohnehin rar. Die Statistik zeigt: 2016 arbeiteten 22,5 Prozent Frauen in Führungspositionen. Wie viele davon Kinder haben, ist zwar nicht bekannt. Viele dürften es aber nicht sein. Wir erinnern uns an Deutschlands letzte Familienministerin Kristina Schröder, die ihr Amt niederlegte, weil sie mehr Zeit mit ihrer Tochter verbringen wollte. Ihre persönliche Entscheidung, die sie vermutlich nicht aus einer Laune heraus, sondern vielmehr aus reiflicher Überlegung getroffen hatte, rief einen Sturm der Entrüstung hervor. Sie hätte den Müttern zeigen sollen, dass Karriere mit der Mutterrolle zu vereinbaren ist. Stattdessen entschied sie sich gegen ihr Amt und für die Familie. Ihre Nachfolgerin Manuela Schwesig scheint diesen Spagat trotz zwei kleiner Kinder besser zu meistern. Wie macht sie das? Diese Frage bekommt sie immer wieder in Interviews gestellt. Gegenüber FAZ-Online sagte sie im Februar diesen Jahres: „Man kann die wenige Zeit, die man hat, damit verbringen, dass man bereut, was man verpasst hat. Man kann sich aber auch daran freuen, was man gerade bekommt. Ich sage nicht, dass das alles easy-going wäre oder superleicht. Ich kenne auch das Gefühl der Zerrissenheit.“ Besonders in den sozialen Netzwerken ist Schwesig nach der Geburt ihres zweiten Kindes oft als „Rabenmutter“ beschimpft worden. Ein Vater, der nach der Geburt seines Kindes wieder arbeiten geht, sieht sich mit soetwas nicht konfrontiert. Hier kommen wir zu dem nächsten Problem einer Begrifflichkeit. Denn ähnlich breit gefächert wie das Wort Karriere, ist der Begriff „Mutter“. Jede Frau definiert für sich individuell, in wie fern sie sich selbst oder andere für die Betreuung ihrer Kinder zuständig fühlt.

Was uns „normalen“ Frauen, die eine Karriere im modernen Sinn anstreben, aber im Gegensatz zu den prominenten Powerfrauen fehlt, sind die finanziellen Voraussetzungen, um die benötigten Betreuungsstrukturen stemmen zu können, die eine 45-55-Stunden-Arbeitswoche verlangt. Wer hat heutzutage schon ein Kindermädchen? Oder eine Vollzeit-Putzfrau? Von einer Köchin mal ganz zu schweigen.

Am Ende müssen wir also doch Prioritäten setzen. Wer es schafft, in einer führenden Position zehn, zwölf Stunden durchzuracken und die eine gemeinsame Stunde mit den Kindern abends als „Quality Time“ zu betrachten, hat nicht automatisch beides, Kinder und Karriere, unter einen Hut bekommen. Die Priorität liegt bei diesen Frauen auf der Karriere. Das sollte man wertfrei sagen. Immerhin bleibt es jeder Frau selbst überlassen, wie sie ihr Leben lebt. Und nein, die Kinder nehmen davon nicht automatisch Schaden. Aber man sollte es sagen. Und man sollte sich nicht selbst in die Tasche lügen und behaupten, dass man in beiden Feldern immer zu 100 Prozent das Beste geben kann. Das können wir doof finden oder ganz okay. Aber beides geht nicht. Immerhin sind wir alle nur Menschen mit einem 24-Stunden-Tag und dem Bedürfnis nach Schlaf.

Was aber sehr wohl möglich ist – hier loben wir auch noch einmal die arbeitnehmerfreundlichen Öffnungszeiten unserer Kitas – ist es, überhaupt zu arbeiten. Wir Mütter sind nicht dazu verdonnert, auf Ewig das Heimchen hinterm Herd zu sein, wenn wir das nicht möchten. Es gibt ja nicht nur Führungspositionen und inzwischen auch sehr viele Unternehmen, die familienfreundliche Gleitzeiten oder Home-Office anbieten. Auch eine normale Vollzeitbeschäftigung ist für Mütter möglich. Und um hier noch einmal auf den ursprünglichen Begriff „Karriere“ zurückzukommen: Für wen eine Stelle mit gemäßigter Verantwortung ausreichend ist, der kann durchaus Karriere machen und mit den Kindern glücklich sein. Auch Teilzeitarbeit ist, sofern man sie sich leisten kann, kein Stigma. Vielleicht sollten wir also lieber davon besprechen, „Kinder und Beruf“ unter einen Hut zu bekommen und die 55-Wochenstunden-Karriere denen zu überlassen, die noch keine oder schon ältere Kinder haben. Apropos „ältere Kinder“: Auch dorthin kommen wir wieder und können dann vielleicht tatsächlich noch einmal in Führung gehen.

 

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